Eine HassLiebeserklärung.
Hamburg, meine HassLiebe: du machst mich zu jemandem, der ich eigentlich gar nicht sein will – und der doch stolz darauf ist.
Ich liebe dich, und genau deswegen hasse ich dich manchmal auch.
Wir hatten einen schweren Start. Einen sehr schweren Start.
Dann, ganz unbemerkt und langsam, hast du dich in mein Herz geschlichen.
Die Weite, die Freiheit, der Wind in meinen Haaren.
Der Geruch von frischer Meeresluft. Möwenkreischen, Nieselregen und kleine, gemütliche Bars, in denen ich bei einem Herrengedeck, bekleidet mit dickem Pulli und flauschiger Wollmütze, Zuflucht vor dem Sturm da draußen suchen kann. Im Mai.
Du gibst mir Vertrauen, du gibst mir Sicherheit.
Selbst durch deine Unbeständigkeit.
Der Blick auf die Außenalster, die so idyllisch daliegt,
dass es mir fast das Herz zerreißt. Zu idyllisch.
Du unbändige, sanft-blaue Schönheit, die sich im nächsten
Moment zornig aufbäumt und die grauen Wellen an die
Steinmauer vor der Schönen Aussicht klatschen lässt.
Idylle, zerrissen vom Sturm.
Und Stürme, ja, davon hast du viele.
Zu hell leuchtende Neon-Lichter auf der Reeperbahn. Dumpfe Hiphop-, Elektro- und Schlagerbässe dröhnen gleichzeitig aus fünf verschiedenen, aneinandergereihten Bars und ihren Billig-Lautsprechern.
Geruch von Bier, abgestandenem Fett der currywurst-Buden und schreiende, lachende, heulende, torkelnde Engländer, Bayer, Touris.
Dann, nur ein paar Taximinuten weit weg von Deutschlands liberalster und schockierendster Partymeile: der Konservativismus, die kühle Reserviertheit und Arroganz in deinen hochpreisigen, zu glatt gepflegten Bar-Etablissements.
Hamburg, du bist alles: Du bist asozial, schön, kalt, stürmisch, hässlich, dreckig, liebevoll, abgeranzt, herausragend, modern und wundervoll zugleich.
Du bist alles für mich.
Deine Gegensätze sind wie ein Anker.
Ein Anker, der mich immer wieder zurückzieht,
egal wie sehr ich wegmöchte. Aber ich kann nicht.
Weil ich jede Mal, wenn ich woanders bin,
mich doch wieder nach dir sehne.
Weil ich jedes Mal, wenn ich die hanseatisch-salzige
Luft einatme und in den grauen Himmel schaue,
froh bin, wieder da zu sein.
Weil ich dich liebe – mit all deinen Seiten.
Und manchmal hasse ich dich dafür.
Weil ich gar nicht immer hier sein will.
Ich will raus, raus in die Welt.
Ich will frei sein, wie die Möwen über der Elbe.
Ich will mich vom Wind tragen lassen.
Stattdessen laufe ich dem Wind hinterher –
der immer wieder in deine Richtung weht.
Weil du jemanden aus mir machst, der ich nie sein wollte.
Wenn ich nachts so alleine über deine Partymeilen zur Bahn laufe,
dabei angepöbelt, angespuckt und angemacht werde,
kann ich nicht anders als zu denken, scheiß Asis.
Wenn jemand vor dem Pub auf mich zuläuft mit offenen Wunden, vollgedröhnt mit Pillen, kann ich nicht anders als zu denken,
was für eine kranke Stadt.
Wenn ich durch die verlassenen Straßen nach Hause gehe und jemand, nach Alkohol stinkend und mit lumpigen Klamotten aus dem Nichts meinen Arm greift, kann ich nicht anders als zu denken, was für ein Drecksloch.
Ich will zurück in meinen sicheren Hafen, mein idyllisches zu Hause, weit weg von dem Trubel, an den schönen Kanälen, die so daliegen und den grünblättrigen Armen der Trauerweiden als Wasserquelle dienen, während die letzten Sonnenstrahlen, die sich hinter den Wolken hervorquälen, auf dem Wasser tanzen, als wäre heute ein ganz besonders schöner Tag.
Und während ich hier so sitze und aus dem Fenster schaue, dreht eine Möwe ihre Kreise, langsam und zielsicher, über dem Wasser.
Sie lässt einen hohen Schrei der Verzweiflung raus – der Wind hat das Wasser zu sehr aufgewühlt – und ich verliere mich in den Weiten des Horizonts, vor dem dahinten schon wieder dunkle Wolken aufziehen.
Und ich kann nicht anders als zu denken, was für eine wunderbare Stadt.
Hamburg, du machst aus mir jemanden, der ängstlicher ist,
als er jemals war.
Du machst aus mir jemanden, der härter ist, als er jemals war.
Du machst aus mir auch jemanden, der leidenschaftlicher ist,
als er jemals war.
Und ich hasse dich dafür, dass du mir das alles bietest.
Deine Rauheit, deine Kälte, deine Gnadenlosigkeit.
Und ich liebe dich dafür, dass du mir das alles bietest.
Das Wasser, das in der Sonne so glitzert.
Der Ruf der Freiheit, der in jedem Windstoß,
in jedem Möwenschrei mitschwingt.
Deinen Humor, deine Möglichkeiten, deine Offenheit.
Ohne dich bin ich nicht mehr komplett.
Du bist ein Teil von mir,
ob ich will oder nicht.
Du bist meine Perle, Hamburg.